Dynamometer-Karte einer Ölpumpe vorhersagen

Dynamometer-Karte einer Ölpumpe vorhersagen

Prof. Chaodong Tan (China University of Petroleum), Guisheng Li (Plant No. 5 of Petrochina Dagang Oilfield Company), Yingjun Qu (Plant No. 6 of Petrochina Changqing Oilfield Company), Xuefeng Yan, (Beijing Yadan Petroleum Technology Co., Ltd.), Dr. Patrick Bangert (algorithmica technologies GmbH)

Eine Pferdekopfpumpe ist eine relativ einfache Apparatur, die auf der ganzen Welt zur Ölförderung eingesetzt wird (siehe Schaubilder 1 und 2). Dabei wird ein Loch in den Erdboden gebohrt, das anschließend mit einer Art Mantel auszementiert wird, was ein schönes senkrechtes Bohrloch ergibt, in das nun eine Eisenstange eingeführt wird, die sich dank einer mechanischen Vorrichtung auf- und abbewegt. Diese nennen wir Kolbenstange (engl. pump rod). Am Ende der Stange befindet sich der Kolben (engl. plunger), ein flaschenartiger Zylinder, mit dem Öl transportiert wird. Am Ende der Abwärtsbewegung wird der Kolben mit Rohöl gefüllt, und am Ende der Aufwärtsbewegung wird das Öl vom Kolben in die Öltonnen geleert.

Rod pump

Schaubild 1.: Die schematische Darstellung einer Pferdekopfpumpe. Der Motor treibt eine Getriebewelle (Gearbox) an, die ihrerseits den Ausleger (Beam) bewegt. Dadurch wird der Pferdekopf (Horsehead) auf und ab bewegt. Diese Anlage ermöglicht es, die rotierende Bewegung des Motors in die Auf-und-abwärts-Bewegung der Kolbenstange umzusetzen. Der Zylinderkopf (Stuffing Box) enthält das Öl, das am oberen Ende der Aufwärtsbewegung durch ein Ventil nach außen geleitet wird.

Rod pump 2

Schaubild 2.: Die schematische Darstellung des unteren Endes eines Ölbohrlochs. Die Kolbenstange (rod) treibt den Kolben (plunger) nach unten, eingegrenzt von der Brunnenverkleidung (well casing). Am unteren Ende des Kolbens befindet sich ein fahrendes Ventil (riding valve), das durch seinen Ventileinlass (inlet) Öl aufnimmt. Das untere Ende des Bohrlochs wird vom Erdölreservoir durch ein ruhendes Ventil (standing valve) abgeriegelt, das sich erst dann öffnet, wenn der Kolben unten angekommen ist.

Wir wollen unsere Aufmerksamkeit zwei Variablen dieser Anlage zuwenden: Dem Abstand der Kolbenstange, gemessen von ihrer obersten Position; und der Spannkraft der Kolbenstange. Wenn wir diese beiden Variablen in ihrem Verhältnis zueinander grafisch so darstellen, dass der Abstand waagerecht abgebildet und die Spannkraft senkrecht abgebildet wird, so zeigt sich, dass wenn das System eine zyklische Bewegung vollzieht, auch die Kurve einen geschlossen Kreislauf bildet. Dieser Kreislauf wird als die Dynamometerkarte der Ölpumpe bezeichnet. Siehe dazu Schaubild 3 (Bild 01) als Beispiel für einen zu erwartenden Vorgang. Den Kreislauf einmal zu umfahren dauert also ebenso lange, wie die Kolbenstange benötigt, um einmal herunter- und wieder heraufzufahren. Eine normale Kolbenstange macht vier Arbeitstakte pro Minute. Es ist eine erstaunliche Erkenntnis, dass uns die Form des Kreislaufes Aufschluss darüber gibt, welche Probleme es mit der Bewegung der Kolbenstange gibt [1]. In Schaubild 3 zeigen wir 23 Beispiele von Dynamometerkarten für die häufigsten Probleme.

Schaubild 3.: Die verschiedenen Formen von Dynamometerkarten. Siehe den Text untern (1-23) zur Erläuterung.

Wir beschreiben hier die Bedeutung der verschiedenen Formen (der Dynamometerkarten) und der durch sie dargestellten Probleme etwas ausführlicher, weil es doch recht ungewöhnlich ist, aus einem einzigen Bild eine komplette Diagnose herauslesen zu können. Ein solcher Ansatz dürfte auch für eine Reihe anderer Maschinen möglich sein, sofern korrekte Messungen abgenommen werden können und eine korrekte Darstellung dieser Messungen gefunden wird. Aus diesem Grund stellen wir das Problem hier etwas ausführlicher dar. Wir zeigen damit eine Möglichkeit auf, auch für Probleme anderer Anlagen ähnliche Darstellungen zu entwerfen. Doch nun zur Deutung der 23 Bilder:

  1. Diese Form erwarten wir, wenn die Pumpe normal funktioniert. Die waagerechten Linien oben und unten sind nahezu parallel zueinander, und das Diagramm entspricht in etwa der Form, die wir theoretisch erwarten würden.
  2. Ein weiteres Beispiel eines recht ordentlichen, normalen Pumpvorgangs.
  3. Die waagerechten Linien weisen einen leichten Abwärtstrend auf, sind viel näher beieinander und zeigen mehr Wellenlinien als in den oberen beiden Fällen. Das wird durch exzessives Vibrieren der Kolbenstange verursacht.
  4. Die untere rechte Ecke dieser Karte fehlt, aber die beiden waagerechten Linien sind immer noch einigermaßen parallel zueinander. Das zeigt, dass der Kolben nicht ganz gefüllt wird, die Pumpe ansonsten aber gut funktioniert.
  5. Ein gravierenderes Beispiel des letztgenannten Problems.
  6. Die Pumpe funktioniert gut, aber das Rohöl ist sehr dick.
  7. Die stark gezackten Kurven und die fehlende Ecke unten rechts werden durch Sand im Öl verursacht. Das kann innerhalb kürzester Zeit zu einer Beschädigung des Gestänges führen.
  8. Auch hier fehlt die untere rechte Ecke; außerdem sind die waagerechten Linien nicht mehr ganz parallel. Das fehlende Stück rechts unten hat eine exponentielle Form. Verursacht wird dies durch aus dem Reservoir (zusätzlich zum Öl) austretendes Gas, was den Abwärtsvorgang verlangsamt.
  9. Ein noch gravierenderer Fall des soeben beschriebenen Problems.
  10. Ein weiterer ähnlicher Fall, nur dass das Gas hier eine Art Gasblase innerhalb des Kolbens bildet, die dann seine ordnungsgemäße Leerung oben verhindert.
  11. Die untere Linie ist abgerundet und hochgehoben. Dadurch ist die Karte insgesamt flacher. Das wird durch ein Leck am Ventileinlass verursacht.
  12. Das Gegenteil der zuletzt beschriebenen Karte. Die obere Linie ist gerundet und niedergedrückt, wodurch auch hier die Karte insgesamt flacher erscheint. Das hat mit einem Leck des oberen Ventilauslasses zu tun.
  13. Diese ovale Form ergibt sich, wenn sowohl der Ventileinlass als auch der Ventilauslass ein Leck hat. Die flache ovale Form ähnelt der Karte in Bild 06.
  14. Die obere linke Ecke fehlt und die Linie hat eine exponentielle Kurve. Vgl. die Karten 08 und 09. Das wird verursacht durch eine Verzögerung beim Schließen des Ventileinlasses.
  15. Wie zuvor, jedoch mit einer kürzeren Verzögerung.
  16. Die rechte Seite der Karte ist abgeflacht. Das zeigt ein sehr plötzliches Entladen des Öls am oberen Ende des Bohrlochs. Das Auslassventil öffnet sich nicht geschmeidig, sondern ruckartig.
  17. Der charakteristische Abschwung oben rechts (im Gegensatz zu 08) zeigt eine Kollision des Kolbens mit der Brunnenverkleidung.
  18. Die untere linke Ecke ist zurückverschoben, während die obere rechte Ecke abgeflacht erscheint. Insgesamt gleicht die Karte dem Bild 08. Das wird durch eine Kollision zwischen dem Kolben und dem ruhenden Ventil am unteren Ende des Bohrlochs verursacht.
  19. Diese dünne Karte mit konkaven Lade- und Entladeabflachungen oben links und unten rechts offenbart einen Widerstand des Ölflusses durch die Anwesenheit von Paraffinen.
  20. Eine sehr dünne, aber langgezogene Karte in einer mittleren Position (im Vergleich zur theoretisch erwarteten Karte) mit etwas wellenförmigen Linien ist ein Indikator für eine gebrochene Kolbenstange.
  21. Eine dünne lange Karte mit glatten waagerechten Linien zeigt an, dass der Kolben sich aufgrund zu hohen Drucks im Ölreservoir zu schnell füllt. Der Kolben sollte gegen einen größeren Kolben ausgetauscht werden.
  22. Diese Karte scheint weitgehend normal zu sein, ist aber etwas zu dünn, insbesondere unten. Die Ursache ist ein Leck im Abflussrohr.
  23. Der Kolben bleibt an der Innenverkleidung des Bohrlochs hängen, wodurch der Kolbenstengel sich biegt.

Man kann leicht sehen, wie man jeweils aufgrund der Gestalt der Grafik eine Diagnose des einschlägigen Problems stellen kann, sofern man in der Sache Erfahrung hat. Es konnte sogar gezeigt werden, dass die Diagnose mit Hilfe eines entsprechenden Erkennungsprogramms (neuronales Netzwerk) automatisiert werden kann [2].

Die Vorhersage von abnormalen Zuständen zum Zweck der frühen Diagnose und Problemlösung

Unser Ziel hier ist es zu untersuchen, ob wir die zukünftige Gestalt einer Dynamometerkarte vorhersagen können, um auf diese Weise eine Situation zu erkennen, die innerhalb der nächsten Tage zu einem ernsthaften Problem führt. Eine Karte beruht gewöhnlich auf 144 Beobachtungen (Messungen) von Abstand und Spannung. Wir wandeln deshalb zunächst diese Daten in ein Gebilde um, indem wir jeder Karte einen geometrischen Prototyp zuweisen. Dieser Prototyp enthält nur 7 freie Parameter. Die Form einer solchen Karte wird also von nur 7 Parametern bestimmt. Schaubild 4 zeigt diese Passformen für sechs Beispiele einer bestimmten Ölpumpe über einen bestimmten Zeitraum.

Diese Formparameter können nun als Grundlage für die Vorhersage zukünftiger Gestalten herangezogen werden. Mit einem rekurrenten neuronalen Netzwerk [4] und unter Verwendung zurückliegender Daten sind wir nunmehr in der Lage, ein sich entwickelndes Modell zu kreieren (Schaubild 4, Einzelbilder 1 und 2), das wir zu einer Vorhersage über die zukünftige Entwicklung nutzen können (Schaubild 4, Einzelbilder 3 bis 5), wobei Bild 3 den augenblicklichen Zustand abbildet. Da sich zeigte, dass die Vorhersage sehr gut mit den Messdaten übereinstimmte, konnten wir belegen, dass dieser Ansatz in der Tat in der Lage ist, zukünftige Probleme von Dynamometerkarten vorherzusagen, sodass der Pumpenbetreuer darauf aufmerksam wird und eine entsprechende Wartungsarbeit durchführen kann. Beachten Sie bitte, dass zwischen der Vorhersage und dem tatsächlichen Eintritt des vorhergesagten Ereignisses (Bild 5) immerhin 4000 Pumpvorgänge oder 16,7 Stunden lagen. Das reicht aber aus, um rechtzeitig die nötigen Wartungsarbeiten durchzuführen.

Schaubild 4.: Eine modellierte Dynomometerkarte in ihrer zeitlichen Entwicklung. Jede Karte entsprach den Messungen, die jeweils 2000 Pumpvorgänge (oder rd. 8,3 Stunden) nach der vorigen Karte abgelesen wurden. Bilder (1) und (2) oben basieren ausschließlich auf historischen Anfangsdaten. Aufgrund dieser Daten konnte das Modell die Bilder (3) bis (5) vorhersagen und zugleich davor warnen, dass wir mit Bild (5) ein Problem haben, das der Intervention bedarf. Die Wartungsarbeiten wurden nach Bild (5) durchgeführt, sodass die Pumpe wieder normal funktionierte, wie Bild (6) zeigt.

Wir schlussfolgern, dass ein rekurrentes neuronales Netzwerk zukünftige Probleme von Pferdekopfpumpen vorhersagen kann, indem es aufgrund mathematischer Berechnungen die zukünftige Gestalt einer Dynomometerkarte prognostiziert. In unserem Beispiel wurde die Vorhersage 16,7 Stunden vor Eintritt des tatsächlichen Problems gemacht.

Literaturhinweise

  1. Gilbert, W.E. (1936): An Oil-Well Pump Dynagraph. Production Practice, Shell Oil Company. 94 - 115.
  2. Bezerra, M.A.D., Schnitman, L., BarettoFilho, M. de A. and de Souza, J.A.M.F. (2009): Pattern Recognition for Downhold Dynamometer Card in Oil Rod Pump System using Artificial Neural Networks. Proceedings of the 11th International Conference on Enterprise Information Systems ICEIS 2009, Milan, Italy.351 - 355.
  3. Lapshin, R.V. (1995): Analytical model for the approximation of hysteresis loop and its application to the scanning tunneling microscope. Rev. Sci. Instrum. 66. 4718 - 4730.
  4. Bangert, P.D. (2012): Optimization for Industrial Problems. Springer Verlag.

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