Den internen Energieverbrauch eines Kraftwerks reduzieren

Den internen Energieverbrauch eines Kraftwerks reduzieren

Timo Zitt
RWE Power AG

Dr. Patrick Bangert
algorithmica technologies GmbH

Einführung

Ein Kraftwerk verbraucht einen Teil der Elektrizität, die es produziert, für seinen eigenen Betrieb. Vor allem die Pumpen des Kühlsystems und die Ventilatoren im Kühlturm verbrauchen viel Strom. Es würde die tatsächliche Effizienz des Kraftwerks erhöhen, wenn man den internen Stromverbrauch reduzieren könnte.

Im Kraftwerk, um das es hier geht, gibt es sechs Pumpen (je zwei Pumpen mit 1100 kW, 200 kW und 55 kW Energiebedarf) und acht Ventilatoren mit jeweils 200 kW Energiebedarf.

Wir können den internen Stromverbrauch dadurch beeinflussen, dass wir diese Pumpen und Ventilatoren nach Belieben ein- oder ausschalten – natürlich mit der Einschränkung, dass das Kraftwerk als Ganzes seine ihm zugedachte Funktionen erfüllen muss. Eine weitere Einschränkung ist die Maßgabe, nach der eine Pumpe nur dann ein- bzw. ausgeschaltet werden kann, wenn innerhalb der jeweils letzten 15 Minuten keine Umschaltung (aus oder ein) erfolgte. Diese Vorgabe soll ein zu häufiges Ein- und Ausschalten verhindern.

Fünf Faktoren bestimmen die Randbedingungen der Anlage: (1) Luftdruck, (2) Lufttemperatur, (3) Menge des verfügbaren Kühlwassers, sowie (4&5) die Energie, die von jeder der beiden Gasturbinen produziert wird. Diese fünf Faktoren sind zu jeder Zeit als gegeben zu akzeptieren und können von den Anlagenfahrern nicht verändert werden. Die Definition von Randbedingungen ist von entscheidender Bedeutung für die Optimierung. Um das Konzept der Randbedingungen zu veranschaulichen, nehmen wir einmal an, wir wollten gerne den höchsten Berg auf einer Karte ausfindig machen. Wenn diese Karte eine Weltkarte ist, würden wir den Mount Everest als den höchsten Berg finden. Zeigt die Karte jedoch nur den europäischen Kontinent, so würden wir den Mont Blanc in den Alpen als den höchsten Berg identifizieren. Als Randbedingung gilt in diesem Beispiel die Region bzw. die Karte, die uns zur Suche nach dem jeweils höchsten Berg zur Verfügung steht.

Jede physikalische Messung wird stets mit einer gewissen Ungenauigkeit oder Unschärfe vorgenommen. Der Lufttemperatur wird in unserer Studie eine Unschärfe von 2 Grad Celsius zugebilligt. Messen wir eine Temperatur von 25°C, stellen wir eine Unschärfe von ± 2°C in Rechnung (d.h. eine Temperatur zwischen 23 und 27°C). Eine solche Unschärfe zu definieren, hat den Zweck, dass wir auf diese Weise zwei Betriebspunkte miteinander vergleichen können. Wir halten zwei Betriebspunkte für vergleichbar, wenn die Messwerte aller Randbedingungen „gleich“ sind im Sinne der zuvor definierten Unschärfe. Die Optimierung erfolgt dann wie folgt: Zu jedem Zeitpunkt messen wir den z.Zt. gültigen Betriebspunkt und durchforsten die Messzustände der Vergangenheit, um vergleichbare Punkte zu finden. Für diese (vergangenen) Punkte erstellen wir ein mathematisches Modell, um dann aufgrund dieses Modells eine optimale Konstellation auch für den gegenwärtigen Zustand vorschlagen zu können.

Lösung

Im vorliegenden Fall legten wir die Unschärfen nach den Standardabweichungen fest, wie wir sie über einen langen Zeitraum beobachten konnten. Zusätzlich zu diesem Vorgehen betrachteten wir ein zweites Szenario indem die Unschärfe des Luftdruckes das Doppelte der Standardabweichung annahm.

Zur Erstellung unseres Modells standen uns eine Unzahl von Variablen der Anlage zur Verfügung. Aufgrund dieser Daten konnten wir bestimmen, welche Pumpen und Ventilatoren eingeschaltet sein müssen, damit die Anlage reibungslos laufen kann. Daraus ergab sich ein mathematisches Modell der Anlage, welches die reale Anlage mit einer Genauigkeit von mehr als 99% repräsentierte. Das Modell wurde mit Hilfe der Machine Learning-Technik erstellt, d.h. dass der Computer es allein aufgrund der ihm zugeführten Messdaten konstruierte. Das Modell war also kein von menschlichen Ingenieuren erstelltes.

Das Modell wurde nun dahingehend optimiert, dass es den jeweils niedrigsten internen Stromverbrauch berechnete. Vom Betriebsablauf bedeutete dies konkret, dass die Optimierung des Modells von Zeit zu Zeit das Abschalten einer Pumpe oder eines Ventilators empfahl, wodurch sich über einen längeren Zeitraum eine Einsparung des internen Stromverbrauchs ergibt.

Die Berechnung wurde für den Zeitraum eines Jahres durchgeführt; und es zeigte sich, dass der interne Stromverbrauch auf diese Weise um zwischen 6,8% und 9,2% reduziert werden kann. Die zwei Werte haben mit zwei unterschiedlichen Konstellationen von Randbedingungen zu tun, genauer mit der Unschärfe bei der Lufttemperatur, für die zwei unterschiedliche Unschärfespannen ausgewählt wurden . Daraus ist ablesbar, dass die Lockerung von Einschränkungen erhebliche Auswirkungen auf das Potenzial der Optimierung hat. Daraus ergibt dann die Schlussfolgerung, dass die Präzisierung der Parameter zur Bestimmung des Problems sehr wichtig ist nicht nur für die Qualität der Optimierung, sondern auch für ihre Sinnhaftigkeit.

Zusammenfassend können wir sagen, dass der interne Stromverbrauch erheblich reduziert werden kann (zwischen 6,8 und 9,2%), wodurch die Gesamt-Effizienz der Anlage um zwischen 0,05% und 0,06% gesteigert werden kann (hier ist zu berücksichtigen, dass der interne Stromverbrauch nur 0,7% der gesamten Energieerzeugung des Kraftwerks ausmacht). Und diese Steigerung wird erreicht lediglich durch das gelegentliche Abschalten von ein paar Pumpen und Ventilatoren, wenn sie nicht gebraucht werden.

Lösung

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