Finanzielle Datenanalyse zur Vertragsplanung

Finanzielle Datenanalyse zur Vertragsplanung

Hans Dreischmeier
Vestolit GmbH & Co. KG

Kurt Müller
Vestolit GmbH & Co. KG

Markus Ahorner
algorithmica technologies GmbH, Bremen, Germany

Dr. Patrick Bangert
algorithmica technologies GmbH

Die Wartungsabteilung eines großen chemischen Werks mit mehreren Fabrikanlagen sieht sich vor dem Problem der zukünftigen Budgetplanung gestellt. In diesem besonderen Fall werden wir die letzten zehn Jahre analysieren. Während der ersten fünf Jahre wurde die Wartung hausintern betrieben, während der nächsten fünf Jahre wurde die Wartung hingegen an einen Dienstleister ausgegliedert. Dieser Dienstleister hatte einen Vertrag über einen Festpreis, für den alle notwendigen Wartungsarbeiten so durchgeführt werden mussten, dass für die jeweiligen Anlagen eine Mindestverfügbarkeit (oder besser) aufrechterhalten werden sollte. Für die ersten fünf Jahre stehen uns alle relevanten Daten, ob technischer oder wirtschaftlicher Art, zur Verfügung. Für die zweiten fünf Jahren haben wir immerhin noch die technischen Daten verfügbar.

Die Management-Teams sowohl des chemischen Werks als auch des Dienstleisters sind sich darüber einig, dass der Festpreis zu niedrig angesetzt ist und neu verhandelt werden muss. Für die Zukunft gibt es drei mögliche Szenarien: (1) die Wartung wird wieder hausintern betrieben; (2) der Festpreis-Vertrag wird weitergeführt, allerdings mit einem angepassten Preis, oder (3) die Wartung wird zwar weiterhin dem Dienstleister überlassen, aber statt eines Festpreises nach einem Leistungsverzeichnis abgerechnet, wobei der Dienstleister von der Verpflichtung einer Mindestverfügbarkeit entlastet wird. Die Frage ist: Welche der Alternativen ist die beste (und warum)?

“Besser” heißt in diesem Fall nicht unbedingt “billiger”, denn das Problem hat noch andere Seiten als nur die finanzielle. Um einige zu nennen: das Problem der Personalrotation (und damit der Kompetenzrotation), die Gegensätzlichkeit von Risiko und Bezahlung, die Spannung zwischen: Wartungseinsparung gegen Qualitätsverfall der Maschinerie, finanzielle Planungssicherheit durch Festpreis gegen Einsparung durch Kostenvariabilität usw. Das sind alles interessante Aspekte, die ebenfalls ins Kalkül gezogen werden sollten. Wir müssen berücksichtigen, dass alle diese Risikofaktoren ihren Preis haben, und angesichts solcher komplexen Möglichkeiten die beste Lösung finden.

Das systemimmanente Problem ist hier, dass alle wichtigen Ereignisse – die technischen Faktoren und die Risikofaktoren – stets nur mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit vorkommen. Wir können uns über nichts wirklich sicher sein, weshalb unser Ansatz notwendigerweise immer wahrscheinlichkeitsbehaftet ist.

Wir werden das Problem aus drei Blickwinkeln betrachten, nämlich in Bezug auf (1) die jeweilige Anlage, (2) die Ausrüstungskategorien und (3) die Mitarbeiter. Das ganze Budget als einzelnes Jahresabonnement wird also aufgeteilt nach den jeweiligen Werksanlagen, nach verschiedenen Ausrüstungskategorien so wie nach mehreren Mitarbeiterkategorien.

Der Zweck dieser Vorgehensweise ist, dass wir –ausgehend von unseren technischen Aufzeichnungen über erfolgte Betriebsausfälle –eine bestimmte Fehlerquote für jede Werksanlage und für jede Maschinenkategorie antizipieren können. Auch wissen wir, wenn wir Ausbildung und technische Fähigkeiten des Personals berücksichtigen, welche Mitarbeiterkategorie für welche Betriebsausfälle benötigt wird; zudem stehen uns noch die tariflich vereinbarten Vergütungssätze für diese Mitarbeiterkategorien zur Verfügung.

Wissen wir, welche Anlage und welches Maschinenteil für den Ausfall verantwortlich ist und welche Mitarbeiterkategorie nötig ist, um das Problem zu beheben, können wir auch–bei einem kleinen Unsicherheitsfaktor – die Kosten für die Reparatur berechnen. Das ergibt sich aus den ersten fünf Jahren, für die wir alle notwendigen Dateninformationen zur Verfügung haben. Wir haben es mit 20 Anlagen, 128 Maschinenkategorien und 4 Mitarbeiterkategorien zu tun. Daraus ergeben sich 10240 Kombinationen, von denen jede aufgrund der ersten fünf Jahre mit Kostenziffern bewertet werden. Jetzt müssen wir nur noch wissen, mit welcher Anzahl von zukünftigen Ausfällen wir zu rechnen haben, um ein Budget zu kalkulieren. Da uns alle technischen Aufzeichnungen der vergangenen Jahre zur Verfügung stehen, können wir die tatsächlichen Kosten für die zweiten fünf Jahre berechnen.

Natürlich ist die Zukunft nicht dieselbe wie die Vergangenheit. Ausrüstungen werden älter und versagen öfters, Maschinen werden ausgetauscht und versagen seltener, Mitarbeiter erhalten Zusatzausbildungen, werden deshalb besser oder wechseln in eine andere Kategorie, manche Anlagen werden in einem Jahr mehr beansprucht als in einem anderen. Derartige Faktoren müssen bei einer Prognose für zukünftige Ausfälle berücksichtigt werden.

Auf diese Weise kommen wir zu einem Kostenbudget für die nächsten fünf Jahre. Der Dienstleister stellte die tatsächlichen Wartungskosten pro Jahr zur Verfügung, sodass wir diese tatsächlichen Kosten mit unserer Prognose vergleichen können. Es zeigt sich, dass unsere Prognose für die ersten vier Jahre mit den tatsächlichen Kosten des Dienstleisters übereinstimmt. Für das letzte Jahr liegt unsere Kostenschätzung allerdings deutlich höher als die tatsächlichen Kosten. Da unsere Kostenschätzung auf technologischen Notwendigkeiten und realistischen Kosten basiert (was wir aufgrund der korrekten Budgetierung für die ersten neun Jahre sagen können), sehen wir uns darin bestätigt, dass der Dienstleister im letzten Jahr weniger Wartungsarbeiten an den Anlagen durchführte als dies zuvor der Fall war, sodass, um Wartungskosten einzusparen, die Lebensdauer der Maschinen reduziert wurde. Mit Hilfe unseres Ansatzes haben wir eine realistische und verifizierbare Methode gefunden, die Wartungskosten einer Anlage so zu prognostizieren, dass die Anlage funktionsfähig bleibt. Wir lassen die Anlage also nicht degenerieren, nur um kurzfristig Wartungskosten einzusparen. Wir vermeiden auch eine übertriebene Wartung. Würden wir die ganze Wartung wieder betriebsintern abwickeln, kennen wir alle dafür anfallenden Kosten.

Dieser Ansatz erlaubt es, für alle drei strategischen Optionen eine Antwort zu geben:

  1. Ausgliederung mit Festpreis: Hierbei müssen wir zwischen den folgenden zwei Problemen abwägen: Unterbezahlung bei schnellerem Maschinenverfall; oder Überbezahlung mit unnötigem Geldverlust. Der Festpreis müsste höher angesetzt werden als die Kostenschätzung, wie sie oben beschrieben wurde, und zwar aus zwei Gründen: zum einen muss der Dienstleister seine versprochene Dienstleistung auch dann erfüllen, wenn die Wartungskosten höher als erwartet sind; zum andern erkauft sich der Auftraggeber mit Hilfe des Festpreises eine bessere finanzielle Planbarkeit. Wir haben über die tatsächlichen Kosten hinaus auch noch einen finanziellen Unsicherheitsspielraum kalkuliert, sodass der Festpreis sich vernünftigerweise zusammensetzen würde aus den berechneten Kosten plus einem Unsicherheitskostenfaktor.
  2. Ausgliederung mit Preisliste: Unser Ansatz stellt eine Preisliste zur Verfügung, also Kostenschätzungen für die jeweiligen Anlagen, Ausrüstungen und Personal, wie oben beschrieben. Hinzu käme allerdings noch eine zusätzliche Spanne für Verwaltung, Management und Haftung.
  3. Hausinterne Wartung: Auch für diese Option bietet unsere Kostenprognose detaillierte Kostenschätzungen an.

Mit jedem Dienstleistervertrag müssten noch zusätzliche Kosten berechnet werden, und zwar nicht nur für die Kommunikation mit dem Dienstleister, sondern auch für das Risiko, dass der Dienstleister Dinge tut, die nicht im Interesse des Anlagenbetreibers sind. Solche Handlungen dürften nur schwer nachzuvollziehen sein bzw. deren Folgen erst viel später sichtbar werden. Solche Kosten könnten erheblich sein, sind aber schwer abzuschätzen. Umgekehrt lässt sich der Vorteil eines planbaren Festpreises nur schwer bestimmen und mit einem Kostenfaktor versehen. Auch könnte der Dienstleistungspartner den Festpreis ändern, ohne dass man dies rechnerisch nachvollziehen könnte, was den Unsicherheitsfaktor noch erhöht. Somit ist die Ausgliederung an sich bereits ein Risiko, zumindest wenn man diese Faktoren berücksichtigt.

Wir schlussfolgern daher, das eine hausinterne Wartung zu empfehlen ist. Sie enthält die niedrigsten Kosten und die niedrigsten Risiken. Der Betreiber bleibt in Kontrolle und kann mit der Anlage tun, was die Unternehmensphilosophie als klug erachtet. Die niedrigeren Kosten- und Risikofaktoren müssen allerdings dadurch “erkauft” werden, dass man ein Wartungsbudget akzeptiert, das nicht von einem Festpreisvertrag, sondern von den Unwägbarkeiten unvorhersehbarer Betriebsausfälle bestimmt wird.

Zu diesen Schlussfolgerungen sind wir dadurch gekommen, dass wir sorgfältig die uns verfügbaren Dateninformationen sondierten, sinnvolle Kategorien einführten und die Ergebnisse auf ihre Plausibilität hin überprüften. Die wichtigste Einsicht dieses Ansatzes ist, dass die Kategorisierung die Kosten bestimmt.

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