Heute setzen wir unsere Serie von Blogeinträgen zum Thema Industrie 4.0 fort. Wenn Sie die vorherigen beiden Einträge dieser Serie nicht gelesen haben, können Sie das hier und hier tun.
Wir durchleben derzeit eine neue industrielle Revolution, genannt Industrie 4.0. Es geht um Information, Digitalisierung und Optimierung. Aus unserer Perspektive eines Lösungsanbieters für die Industrie erwarten wir auch für uns selbst eine Veränderung der Rolle, die wir im Hinblick auf die gestiegenen Anforderungen an industrielle Lösungen auszuüben haben.
Analysen und große Datenmengen (Big Data) sind nur der Anfang. Auch das Internet of Things (Internet der Dinge) steht uns bereits zur Verfügung. Würden wir unsere Vision aber nur auf das beschränken, was wir bereits vor zehn Jahren begonnen haben bzw. auf das, was wir derzeit tun, so würden wir nur mit dem Strom schwimmen und nicht nach vorne schauen. Die Unternehmenswelt ist von notorischer Trägheit, trottet meist vor sich hin und vermag Innovationen nur zögerlich zu adoptieren und zu adaptieren. Aber ohne zügiges Adoptieren und Adaptieren wird es nicht gehen. Auf dem Business-to-Consumer-Markt (kurz B2C) stellen Big Data und anspruchsvolle automatisierte Analysemethoden keine Zukunftsszenarien mehr – sie gehören bereits zu den Nachrichten von gestern. Nicht nur Google und Facebook sind beim Datenschürfen und Sammeln von Informationen unglaublich effizient. In einem viel beachteten Fall, der bereits mehr als vier Jahre zurückliegt, fand die amerikanische Supermarktkette Target heraus, dass eine Kundin, die regelmäßig dort einkaufte, schwanger war – noch bevor diese es irgendjemandem erzählt hatte. Obwohl dieser Fall nach hinten losging, zeigt er doch auf, wie ausgeklügelt und hochentwickelt die Analysemethoden bereits geworden sind und wie weit B2C-Händler zu gehen bereit sind, um die ihnen verfügbaren Informationen dafür zu nutzen, um auch den letzten Euro zu erwirtschaften.
Aber das war schon vor vier Jahren. Tatsache ist, dass dieses Datenschürfen schon seit über einem Jahrzehnt Teil der B2C-Landschaft ist. Big Data ist fest am Markt etabliert, stellt aber keine neue, innovative Nachricht für den B2C-Markt mehr dar. Ich hatte vor kurzem die Gelegenheit, eine Festrede von Prof. Dr. Key Pousttchi bei der MainDays-Konferenz in Berlin zu hören, in der er darlegte, wie Big Data, Sensoren und das Smartphone die Industrie verändern werden. Er hob als wichtigen Punkt hervor, wie sehr die Industrie hinter dem Verbrauchermarkt hinterherhinke. Und das ist genau das, was wir auch im Falle von Big Data sehen: Was für den Verbrauchermarkt längst gang und gebe ist, ist für die Industrie der letzte Schrei. Der Verbrauchermarkt nimmt neue Trends schnell auf, und die Industrie wird unausweichlich folgen müssen. Denn so funktioniert‘s: Wenn die Menschen sich in ihrem privaten Leben an bestimmte Abläufe und Annehmlichkeiten gewöhnt haben, erwarten sie Gleiches auch in ihrem Arbeitsleben. Wenn wir als Verbraucher schon für morgen neue aufregende Entwicklungen erwarten, so ist davon auszugehen, dass die Industrie in fünf oder zehn Jahren diesen Entwicklungen hinterherrennen wird.
Der heutige Konsument ist ein schlauer mobiler Verbraucher – einer, der fast überall fast alles tun kann. Es wird gewitzelt, „dass es für alles eine App gibt“. Allerdings ist das inzwischen kein Witz mehr, sondern bereits Realität geworden. Private Anwender ebenso wie viele Geschäftsleute nutzen heute in nie dagewesenem Umfang drahtlose Verbindungen, interoperable Technologien und vermehrt auch die mobilen Dienste. Jede Information, jede Schnittstelle, jede Funktionalität ist heute nicht nur online verfügbar, sondern als App, und zwar überall. Und das verändert unser Leben am Arbeitsplatz und außerhalb davon in grundlegender Weise. Im Jahre 2004 erlaubten nur 11% der Unternehmen ihren Mitarbeitern, von zu Hause aus zu arbeiten. Heute arbeiten 48% der Business Manager weltweit mindestens die halbe Arbeitswoche aus der Ferne, wenn wir den 2013 Regus Global Economic Indicator zugrunde legen. Viele der globalen Unternehmen, die auf der Liste der Fortune 1000 erscheinen, reorganisieren derzeit ihre Arbeitsplätze, um der Telearbeit (engl. telecommuting) Rechnung zu tragen, denn ihre Mitarbeiter sind bereits mobil. Statistiken zeigen, dass Mitarbeiter nicht einmal 50-60% ihrer Arbeitszeit an ihrem Arbeitsplatz verbringen. Arbeit findet nicht mehr ausschließlich in einem Büro statt; der heutige Arbeitsplatz kann überall sein. Wer mit seinem industriellen Werkzeug den industriellen Verbraucher von morgen zufriedenzustellen hofft, sollte sich den privaten und den geschäftlichen Nutzer von heute anschauen und seine Tools den Bedürfnissen dieses Nutzers anpassen. In der Welt der Industrie 4.0 brauchen wir Arbeitsgeräte, die vernetzt, intelligent und mobil sind.
Und das ist noch nicht genug. Die Konsumenten von heute sind findig und kritisch geworden. Die Flut von Providern und Angeboten und die wachsende Verfeinerung der Technologien bedeuten, dass der heutige Nutzer, privat oder geschäftlich, wenig Geduld mit Misserfolgen hat. Er erwartet nicht nur, dass seine Geräte ihre Aufgabe sachgerecht erfüllen, sondern dass sie es schnell und zuverlässig tun. Nach einer kürzlichen Umfrage von Compuware wollen 78% der Nutzer von mobilen Geräten, dass ihre Apps schneller sind als mobile Websites. 79% würden eine App aufgeben, wenn sie nicht schon beim ersten Mal funktioniert; 47% würden die App aufgeben, wenn sie nicht zufriedenstellend funktioniert. Prof. Pousttchi wies in seiner Festrede auch darauf hin, dass es für alle Nutzer wichtig sei, dass eine App Spaß macht. Entertainment steht allerdings nicht oben auf der Prioritätenliste, wenn es um arbeitsrelevante Software für die Industrie geht. Zwar ist es nicht das Ziel solcher Programme, ihre Anwender zum Lachen zu bringen, gleichwohl aber erwartet man doch benutzerfreundliche, gut durchdachte und unterhaltsame Apps – auch in einem industriellen Umfeld. Während die Industriekunden lange Zeit langsame, komplizierte und benutzerunfreundliche Lösungen tolerierten – weil ihnen keine anderen zur Verfügung standen –, haben sich auch hier die Zeiten geändert. Die Industriekunden von morgen erwarten, was die Privatnutzer von heute bereits haben: alle Informationen, alle vernetzten Schnittstellen und Entscheidungsbefugnisse quasi in der Tasche, d.h. in Form einer leicht einsetzbaren und unterhaltsamen App. Sie erwarten Lösungen, die ihr Arbeitsleben erleichtern, die einfach zu handhaben sind und auch Spaß machen. Wer als Dienstleister im heutigen neuen Industrieklima überleben will, sollte das beherzigen.
In unserem nächsten Blogeintrag werden wir uns mit einigen aktuellen und zukünftigen Störfaktoren der verarbeitenden Industrie beschäftigen. Und wir werden uns mit einigen Herausforderungen von Industrie 4.0 auseinandersetzen.